Groß Raden
Unweit der mecklenburgischen Stadt Sternberg, zwischen einer Seen- und Flusslandschaft, liegt das Freilichtmuseum Groß Raden.
Das Museum zeigt die Rekonstruktion einer slawischen Siedlung mit Befestigungsanlage, die an der originalen Ausgrabungsstelle errichtet wurde.
Die heute verlandete Halbinsel war vor etwa 1000 Jahren noch in eine Halbinsel und eine Insel geteilt.
In den 70er Jahren fanden auf einer 7000 qm großen Fläche ausgiebige Ausgrabungen statt, wobei neben baulichen Überresten auch eine große Menge an Einzelfunden auftraten.
Der Ausgräber der Anlage, Ewald Schuldt, konnte während der Ausgrabungs- arbeiten zwei Bauphasen unterscheiden. Durch das Fundmaterial konnte die Anlage in das 9. – 10. Jahrhundert. n. Chr. datiert werden. Diese Daten konnten auch durch Dendrochronologie bestätigt werden.
Ältere Bauphase
Durch einen ca. 50 m langen und ca. 4,50 m breiten Sohlgraben war die kleinere Halbinsel an der schmalen Seite vom Festland getrennt.
Über eine etwa 10 m lange und 3,50 m breite Brücke, die über den Graben führte, gelangte man zum Tor, von welchem aus ein nachweislich 65 m langer Weg aus Eichenbohlen mitten durch die Siedlung führte.
Beidseits des Weges standen Häuser von unterschiedlicher Konstruktionsweise.
Der älteren Bauphase werden 29 Flechtwandhäuser zugeordnet, die mit Spreu – Lehmbewurf verputzt waren. Diese Häuser standen eng zusammen.
Von dem zentralen, befestigten Bohlenweg der Siedlung, führte eine etwa 100 m Lange Brücke hinüber zur Insel, wo einige Flechtwandhäuser der älteren Bauphase ohne Lehmverputz errichtet waren.
Jüngere Phase
In der jüngeren Bauphase gab s etwa 30 – 40 Blockhäuser in der Siedlung, die eine Grundfläche von bis zu 45 qm aufwiesen.
Im Nordteil der Halbinsel konnte ebenfalls ein Werkstattgebäude ausgemacht werden, das man einem Schmied zuweisen konnte.
Ebenfalls wurde in dieser Bauphase eine kreisrunde Burganlage auf der Insel errichtet, deren Zugang durch eine Bastion gesichert wurdexund die nur durch einen Bohlenweg erreichbar war. Vermutlich gab es auf der Insel auch eine Bootsanlegestelle.
Die Burganlage nahm fast die gesamte Inselfläche ein. Trotzdem hatte der Innenhof der Anlage nur einen Durchmesser von 25 m.
Am Fuß des Walls befanden sich kasemattenartig angeordnete Wohn- und Vorratsgebäude. Außerdem wurden im Inneren mehrere Gruben entdeckt, die als Drainagegruben gedeutet werden.
Eine kreisrunde Verfärbung in der Mitte der Burganlage, wird als Standort einer “Götterfigur“ gedeutet. Es ist anzunehmen, dass sich in der jüngeren Phase der Anlage der Kultplatz von der Halbinsel auf die Inselburg verlagert hat.
Der Tempelbau
In der älteren Bauphase der Siedlung befand sich der Tempel noch auf der Halbinsel. Die Grundfläche dieses Tempels betrug 7 x 11 m und war durch eine doppelwandige Stabbohlenwand eingefriedet.
Bei den archäologischen Ausgrabungen durch Ewald Schuldt wurden an dieser Stelle nur wenige Einzelfunde geborgen. Die wenigen Funde konnten aber alle in einen religiösen Zusammenhang gestellt werden. Zu den Funden, die man dem Tempel zuwies, gehörten 2 Lanzenspitzen, ein Pokal aus Ton, sowie 3 Pferde- und 2 Rinderschädel.
Einzelfunde
Bei den Ausgrabungen konnten Schuldt und sein Team fast 100 000 Funde bergen. Unter diesen Funden gab es 40 000 Tierknochen und über 50 000 Keramikscherben, welche 26 verschiedene Verzierungsarten aufwiesen und mit denen man 117 Gefäße wie Tröge, Schüsseln und Teller rekonstruieren konnte.
Auch zahlreiche Geräte handwerklicher Tätigkeiten konnten geborgen werden, die einst vermutlich von Korbmachern, Zimmerleuten oder Schmieden benutzt wurden.
Weitere Funde waren Reste von Lederschuhen, Kämme, 234 Knochenpfrieme, 85 Spinnwirtel und 161 durchlochte Wetzsteine.
Obwohl es nur wenige Hinweise auf überregionalen Handel gibt, wurden dennoch Bergkristalle und Bernstein gefunden, sowie ein mit Silber überzogener Armring und ein ornamentierter Gürtelhaken aus dünnem Bronzeblech, welche auf Handelsbeziehungen schließen lassen.
Außerhalb der Siedlung wurde eine einzige Münze gefunden, ein so genannter Sachsenpfennig. Diese Münze datiert ungefähr in der Zeit vor oder nach 1025 AC.
Um ca. 900 n. Chr. wurde die Siedlung, aus bisher noch nicht bekannten Gründen vermutlich gänzlich zerstört. Kampfhandlungen sind hier ebenso wenig auszuschließen, wie die freiwillige Aufgabe der Siedlung.
Text von C. Laschinski September 2007
Quellennachweis
- J. Herrmann (Hrsg.), Die Slawen in Deutschland. (Berlin 1985)
- Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 13, S. 86 – 89 (Berlin 1973)
- E. Schuldt, Groß Raden. Ein slawischer Tempelort des 9./10. Jahrhunderts in
Mecklenburg. (Berlin 1985)
- http://www.gross-raden.de